Leckerlis einsetzen - Wann macht es Sinn?

„Arbeitest du mit Leckerlis?“ ist eine der Fragen, die mir ganz oft beim Kennenlernen gestellt wird. Die Antwort darauf ist ein klares „Es kommt drauf an!“. Sprechen wir über Ausbildung oder Erziehung? Sprechen wir über Belohnung oder Locken?

Wenn ich meinen Hunden etwas bestimmtes beibringen möchte, zum Beispiel ein Hörzeichen wie „Platz“ oder einen lustigen Trick, dann arbeite ich beim Training selbstverständlich mit Futterbelohnungen. Gar keine Frage! 

Ich nutze dabei auch gerne einen Clicker, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es mir und meinen Hunden dabei hilft, uns zu fokussieren und klar zu definieren, welche Ideen richtig waren. Wichtig ist mir hier aber, dass meine Hunde wirklich über die Übung, die wir machen nachdenken, statt nur durch Futter gelockt zu werden. Das ist ein sehr großer Unterschied, der jedem Hundehalter und -trainer bewusst sein sollte! Sie sollen selbst ausprobieren und nach Lösungen suchen und bekommen dann für gute Ideen eine Belohnung. Denn unsere Hunde können unglaublich schnell, leicht und gründlich lernen, wenn sie wirklich selbst Lösungen für eine Aufgabe finden und nicht nur blindlings einem Leckerli hinterher denken.

Im Erziehungsbereich, also wenn wir z.B. über Verhaltensregeln im Umgang miteinander sprechen, über Grenzen und Zuständigkeiten, hat Futter für mich nichts verloren. Hier bewegen wir uns im Bereich des Sozialen Miteinander, im Beziehungsbereich, und genau auf der Ebene bekommt der Hund auch klares Feedback von uns – positives wie negatives! 

Lasst mich euch einen Vergleich aus unserem Alltag als Mensch geben, um zu verdeutlichen was ich meine. Wenn wir für andere Arbeit leisten, dann erwarten wir eine Gegenleistung, z.B. in Form von Geld. Klar! Irgendwie müssen wir ja alle unsere Rechnungen bezahlen und unseren Kühlschrank füllen. Wenn wir aber an einer roten Ampel anhalten oder ein Geschäft verlassen, ohne etwas zu stehlen, erwarten wir dafür natürlich KEINE Belohnung, denn beides sollte selbstverständlich sein. Es gibt in unserer Gesellschaft einfach gewisse Regeln und Gesetze, an die sich jeder halten muss, damit wir halbwegs friedlich koexistieren können und niemand zu Schaden kommt. Wenn jemand diese Regeln bricht, gibt es Konsequenzen.

Im Zusammenleben mit unseren Hunden ist das nicht anders! Klar kriegen meine Hunde eine Belohnung, wenn sie z.B. den Futterbeutel suchen und ihn mir bringen. Aber sie kriegen keine Belohnung, bloß weil sie mir gnädiger Weise beim Spaziergang nicht den Arm ausreißen, meinen Besuch nicht anknabbern oder den Hund auf der anderen Straßenseite nicht verprügeln gehen. Klar kriegen sie eine Belohnung, wenn sie ein neues Hörzeichen lernen und gute Ideen haben, aber ist der Lernprozess mal abgeschlossen, muss z.B. ein guter Abruf oder ein Platz auch ohne Leckerli funktionieren. Das heißt nicht, dass ich ihnen nicht hin und wieder etwas Feines geben kann, wenn sie toll gehört haben. Aber die Befolgung der Hörzeichen ist nicht abhängig davon, ob ich Futter in der Hand habe oder nicht. Das wäre sonst nicht wirklich alltagstauglich!

Es kann nicht Sinn der Sache sein, mit zig verschieden wertvollen Belohnungen ausgestattet durch die Welt zu marschieren in der Hoffnung, dass irgendwas dem Hund schon wichtiger sein wird, als der Hase, der andere Hund oder was auch immer er gerade spannend findet. Ich werde mich meinen Hunden gegenüber ganz bestimmt nicht zum Affen machen, um sie von einem Außenreiz abzulenken oder ein Fünkchen Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist weder mir noch meinen sozial hochintelligenten Hunden gegenüber fair. Stattdessen bekommen sie klare Informationen, was sie dürfen und was nicht, was sie etwas angeht und was nicht und welches Verhalten ich von ihnen erwarte. Und wenn die Beziehungsebene passt und meine Hunde mich ernst nehmen und bereit sind, mir die Verantwortung für Außenreize zu überlassen und ihre Ideen meinen Entscheidungen hintenan zu stellen, dann können auch Hörzeichen toll funktionieren und ein nützliches Werkzeug sein. Und dann erfordert das auch nicht zigtausend Wiederholungen und „Superleckerlis“, sondern nur einen klar strukturierten und sauber durchgeführten Lernprozess, damit sie schnell und gründlich etwas Neues lernen. 

Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, wie Hunde lernen, dann empfehle ich euch mein gleichnamiges Seminar, das dieses Jahr am 03. Juli und am 09. Oktober stattfinden wird.

 

Außerdem gibt es für Abonnenten auch in meiner Videobibliothek bereits verschiedene Videos zu diesem wichtigen Thema, wie zum Beispiel diese hier:

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Hörzeichen “Platz” // Erste Schritte mit Fynn (12 Wochen)

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Merkmale und Fähigkeiten von Entscheidungsträgern