“Ohne Vorwarnung” - Über das Beobachten von Körpersprache

Lexi und ich sitzen in der Bayreuther Innenstadt an einem Brunnen und beobachten gemeinsam das Treiben, als eine Frau mit relativ großem Hund an der Leine auf uns zusteuert. Schon auf viele Meter Entfernung fixiert ihr Hund Lexi mit hartem Blick, die Rute senkrecht in die Höhe gestreckt und steif wie ein Brett. Er stakst an straff gespannter Leine geradewegs auf uns zu. Jede Faser seines Körpers steht unter Spannung. Ich bin schon fast dabei, aufzustehen und wegzugehen, als die Frau kurz vor uns dann doch noch stehen bleibt und ihren Hund anhält. Sie lächelt verzückt und man sieht ihr an, dass sie überhaupt nicht wahrnimmt, was da am anderen Ende ihrer Leine vor sich geht. Als wenige Sekunden später passiert, was mir schon von Anfang an klar war und ihr Hund heftig lospöbelt, ist sie völlig überrascht und zieht sie ihn erschrocken weiter.

Danke an Lisa Büsing für das tolle Foto!

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Reaktion ihres Hundes in ihren Augen „aus dem Nichts heraus“ passiert ist, ohne Vorwarnung. Die meisten Hundehalter nehmen nur die großen Sachen in der Kommunikation ihrer Hunde wahr, wie z.B. Knurren oder Bellen, aber nicht alles andere. Dabei sind unsere Hunde ein offenes Buch, wenn wir wissen, worauf wir achten müssen. Wir können so viel an ihrem Körper ablesen, wenn wir genau hinsehen. Dazu gehört nicht nur die Körperhaltung und Geräusche, sondern z.B. auch die Art, wie sie sich bewegen.

Dieser Hund, der uns angepöbelt hat, war von der Nase bis zur Schwanzspitze hin absolut angespannt und das hat die Art, wie er gelaufen ist und seine Rute bewegt hat klar widergespiegelt. Natürlich konnte seine Besitzerin von hinten seine Mimik nicht sehen, aber an seinem Gang, dem unverwandten Fokus des gesamten Körpers auf uns und an der steil nach oben gehaltenen, steifen Rute war absolut eindeutig zu erkennen, dass dieser Hund uns droht und nicht freundlich „Hallo sagen“ will.

Wenn wir das Verhalten unserer Hunde verstehen möchten, müssen wir lernen, sie gut zu beobachten. Das können wir zum Beispiel gut üben, indem wir sie filmen oder uns filmen lassen und die Aufnahmen dann in aller Ruhe ansehen. Wir können an kritischen Stellen pausieren, nochmal zurückspringen oder in Zeitlupe ansehen, was da vor sich geht.

Mit der Zeit werden wir dann besser darin, Feinheiten und Zusammenhänge auch in Echtgeschwindigkeit und live zu erkennen. Dann werden wir von den Reaktionen unserer Hunde auch nicht mehr überrascht, sondern können ihre Gedanken und Gefühle schon im Ansatz erkennen und entsprechend darauf eingehen.

Wenn ihr mehr Input zu diesem Thema von mir möchtet, kann ich euch mein Ende August stattfindendes Seminar „Hündisch für Menschen“ ans Herz legen. Ein ganzes Wochenende lang werden wir uns intensiv dem Thema Körpersprache und Kommunikation widmen.

Außerdem gibt es natürlich auch in der Videobibliothek Material zu diesem Thema, zum Beispiel meine Grundlagenserie zum Thema Körpersprache.

Zurück
Zurück

Leineziehen - Ein „Tu‘ das!“- oder ein „Lass‘ das!“-Problem?

Weiter
Weiter

Hörzeichen “Platz” // Erste Schritte mit Fynn (12 Wochen)