Leineziehen - Ein „Tu‘ das!“- oder ein „Lass‘ das!“-Problem?

Ich laufe mit einem neuen Kunden durch den Wald und wir lernen uns auf einem kleinen Spaziergang erst einmal gegenseitig kennen. Sein Hund zieht wie ein Berserker an der Leine – einer der Gründe, warum er heute bei mir ist. Alle paar Meter bleibt der Kunde stehen, ruft und lockt seinen Hund zu sich, lässt ihn „Sitz!“ und „Schau!“ machen und schickt ihn dann wieder los mit den Worten „Anständig laufen!“. Sofort prescht der Hund wieder los und hängt erneut mit voller Kraft in der Leine.

Solche Vorgehensweisen begegnen mir in Erstkontakten häufig in der ein oder anderen Form und eines haben alle gemeinsam: Hier wird an einem „Lass‘ das!“-Problem mit einer „Tu‘ das!“-Kommunikation gearbeitet. Statt dem Hund zu sagen, was er NICHT tun soll, wird er immer wieder kurzzeitig mit Aufträgen (Sitz! Schau! etc.) abgelenkt. Heißt für mich: Der Hund versteht nicht mal im Ansatz, dass das Ziehen an der Leine und das ungebremste Vorbeischießen an seinem Menschen etwas ist, was dieser nicht will. Alles, was der Hund weiß ist: In unregelmäßigen Abständen muss ich zu meinem Menschen laufen, mich für ein paar Sekunden hinsetzen und ihn ansehen, dann darf ich wieder weiterlaufen.

Hier quälen sich nun also Mensch und Hund seit einem knappen Jahr mit diesem Problem durch die Welt und spulen ständig ihr frustrierendes „Komm her! – Sitz! – Schau! – Lauf‘ anständig!“-Muster ab. Und warum? Weil in ganz, ganz vielen Hundeschulen gelehrt wird, dass du deinem Hund immer nur positiv begegnen darfst, immer nur nett sein und Kekse füttern. Sag‘ bloß nie „Nein!“ oder schränke ihn ein, denn das schädigt eure Beziehung und ist Gewalt. So ein Quatsch!

Alles, was dieser Hund gebraucht hat, war eine klare Information, wo er NICHT laufen und was er NICHT tun darf und schon waren die beiden um Welten entspannter unterwegs als vorher. Zum allerersten Mal in ihrem Zusammenleben konnten die beiden an lockerer Leine nebeneinander stehen und einen anderen Hund beobachten. Wie unfair ist es denn bitte, den Hund monatelang in so einer Aufregung durch die Gegend laufen zu lassen und dem Menschen Blasen und Blessuren zuzumuten von der dauerhaft straff gespannten Leine, die er festhalten musste?

Wer denkt, dass es im Umgang mit Hunden nur „nett und positiv“ oder „böse und gewalttätig“ gibt, der hat überhaupt nicht verstanden, was „Kommunikation“ eigentlich bedeutet und dass es einen riesigen Unterschied gibt zwischen der Ausbildung eines Hundes und seiner Erziehung und alltäglichen Interaktion und Beziehung mit seinem Sozialpartner Mensch. Unsere Hunde sind sozial hochentwickelte Lebewesen und unser Miteinander mit ihnen darf nicht nur geprägt sein von stupider Konditionierung und Dressur. Das wird ihnen einfach nicht gerecht!

Und eine gute Leinenführigkeit ist zum allergrößten Teil einfach nichts, was der Hund aktiv tut wie etwa Hinsetzen oder Hinlegen oder eine klassische Fußarbeit im Hundesport. Eine gute Leinenführigkeit ist vor allem davon geprägt, dass der Hund bestimmte Dinge eben NICHT tut. An der Leine, v.a. der geführten Leine, kann der Hund einfach nicht allen Ideen ungebremst hinterhergehen, die er so hat und muss Rücksicht auf den Menschen nehmen, der ihn begleitet. Und dieses Mindestmaß an Respekt (= Rücksicht!) dürfen wir von unseren vierbeinigen Begleitern durchaus erwarten.


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