Raus aus dem Pubertal - Ein kleiner Guide für schwierige Phasen
Der Blick ist leicht irre, stabil geglaubte Regeln scheinen vergessen, eine dumme Idee folgt der nächsten und der (gar nicht mehr so) kleine Mann geht uns allen gehörig auf die Nerven. Das kann nur eins bedeuten: Wir sind im ersten Pubertal! (danke, Nici von @alt_und_hund für dieses großartige Wort!)
Natürlich kommt der erste Hormonschub pünktlich zu meinem Urlaub (eigentlich gut, weil Zeit…), aber leider auch zu meiner alljährlichen Burnout-artigen Winter-/Jahreswechsel-Depression (schlecht!). Der Akku ist leer und ich will mich einfach nur für ein paar Wochen zurückziehen und mir mal NICHT über Hundeerziehung Gedanken machen müssen. Tolles Timing, Silas!
Was also tun, wenn der Hunde-Teenie plötzlich spinnt und die eigene Kapazität quasi nicht vorhanden ist?
Inzwischen sind wir zwei zum Glück lebendig auf der anderen Seite des Tals wieder rausgeklettert und so kann ich euch hoffentlich ein paar hilfreiche Ratschläge geben, wie ihr diese Phasen gut überstehen und eure Vierbeiner unterstützen könnt.
Drei Aspekte haben sich für mich hier bewährt:
Mindset überprüfen: Auch dies geht vorbei! Positives finden und Negatives wertfrei betrachten
Handlungsfähigkeit erhalten: Distanz schafft Nähe & Selbstfürsorge
Führung geben: Klare Strukturen und Verbindlichkeit
Tipp 1: Das Mindset überprüfen & Wertung rausnehmen
Gleich vorneweg einer meiner Lieblingssätze, der sich auf so viele Lebenslagen anwenden lässt: “Auch dies geht vorbei!”
Es ist eine Phase, die nicht für immer andauern wird. Gedanken wie “Ich hab’s verkackt! Der Hund ist total versaut!” sind in solchen Momenten leider völlig normal und auch als Hundetrainerin bin ich absolut nicht davor gefeit. Man steigert sich in die negativen Dinge rein, sieht die ganzen Positiven nicht mehr und plötzlich ist alles nur noch schwarz und man hat versagt. Dass das nicht stimmt weiß der rationale Teil des Gehirns theoretisch, aber der emotionale Teil lässt sich davon leider selten oder nur schwerlich überzeugen.
Mein Tipp: Sucht euch liebe Leute, denen ihr euer Leid klagen könnt und die euch dann gekonnt den Kopf waschen! Und wenn ihr niemand passendes habt oder nicht der Typ dafür seid, dann nehmt euch ein Blatt Papier und schreibt euch alles Positive auf, was euch zu eurem Hund einfällt. Warum liebt ihr diesen Hund? Denn das tun wir ja trotzdem, auch wenn wir sie vielleicht manchmal gerne im Wald aussetzen würden. Was macht er toll? Was kann er gut? Und dann macht diese Dinge zusammen! Findet Erfolgserlebnisse, in denen ihr mal wieder stolz sein könnt und richtig Spaß an der gemeinsamen Zeit habt. Mit Silas ist das zum Beispiel die Geruchsanzeige. Das mache ich nur mit ihm, es ist unaufwendig und ich bin jedes Mal sofort absolut begeistert von seinem Talent. Da reichen auch schon fünf Minuten und das Beziehungsklima ist wieder etwas positiver.
Und wenn wir schon beim Thema “Mindset” sind: Nehmt die Wertung raus! Weder will der Junghund uns ärgern, noch ist er “versaut”. Er kann schlichtweg im Moment nicht anders! Das Gehirn ist eine Baustelle und da denkt es sich nun mal nur schwer geradeaus. Wenn wir es schaffen, uns das auch in den schwierigen Momenten bewusst zu machen, können wir ganz anders auf das Verhalten unseres Vierbeiners schauen und es nicht so dicht an uns heranlassen.
Was unser junger Hund in diesen Phasen am meisten von uns braucht, um aus dem Pubertal gesund herauszukommen, ist Stabilität und Verbindlichkeit. Regeln, die in Frage gestellt werden, müssen jetzt erst Recht durchgesetzt werden, denn genau das prüft unser kleiner Qualitätstester ja in dieser Zeit: Wie ernst meinst du deine Ansagen? Wie gehst du damit um, wenn ich mich mal nicht daran halte? Wie stabil bist du? Kann ich mich auf dich verlassen? Oder ist Spielraum für eine “Statusexpansion” innerhalb der Gruppe da?
Das macht der kleine Mann übrigens nicht nur mir, sondern auch den zwei Mädels gegenüber und die sind mit Einsetzen der Pubertät schlagartig deutlich weniger nachsichtig mit ihm. Taiga hält ihn wieder vermehrt auf Abstand. Lexi lässt sich bei weitem nicht mehr so viel von ihm gefallen und hat beim gemeinsamen Toben nun deutlich öfter die Oberhand.
Tipp 2: Die eigene Handlungsfähigkeit erhalten - Selbstfürsorge!
Nun ist “Strukturen schaffen und Regeln durchsetzen” aber ja durchaus eine anstrengende Aktivität, für die man viel mentale Kapazität braucht. Schwierig, wenn man selbst im Loch sitzt… Also was tun? Erst einmal habe ich mir Freiräume geschaffen, in denen ich nicht auf ihn achten musste und mich erholen konnte. Wie? Räumliche Trennung! In unserem Fall war Silas einfach ein paar Stunden am Tag im Schlafzimmer, wo er ruhen konnte und niemanden genervt hat. Distanz schafft Nähe und es kann sehr, sehr heilsam sein, einfach mal die Tür zuzumachen und sich nicht auf Diskussionen einzulassen. Ja, das ist Management, aber in solchen Momenten besser, als sich nur noch aufzuregen und das letzte bisschen Energie für sinnlose Aktionen zu verschwenden. Die Zeiten, die man dann zusammen verbringt sind dadurch auch gleich viel wertvoller, weil man eben nicht immer zur Verfügung steht.
Tipp 3: Sorgt für klare Strukturen und Verbindlichkeit!
Ansonsten gab es wieder deutlich mehr Platzzuweisungen (Ruheübung) für den kleinen Mann und er durfte nicht den ganzen Tag durch die Wohnung streunen und sich Blödsinn ausdenken. Zum Glück hab ich all die essentiellen Raumverwaltungselemente in der Welpen- und bisherigen Junghundezeit schon gründlich mit ihm erarbeitet und so war es auch jetzt keine allzu große Sache mehr, sie durchzusetzen. Mein Tipp: Nutzt hier unbedingt eine Hausleine! Dazu reicht ein kleines, leichtes Schnürchen, bei dem es kein Weltuntergang ist, wenn es der Teenie auch mal durchbeißt. Der Vorteil: Ihr müsst nicht diskutieren und eurem Hund Aufmerksamkeit schenken, wenn er gerade motzt und Verhalten zeigt, das ihr nicht verstärken wollt. Dadurch könnt ihr ruhig und souverän bleiben und ihm ganz klar zeigen, dass er euch so nicht bewegt bekommt - weder körperlich, noch mental oder emotional.
Ganz allgemein habe ich für eine Zeit stark reduziert, wie viel Aufmerksamkeit und welche Privilegien Silas von mir bekommt und gut ausgewählt, wann und in welchem Zustand ich sie ihm gebe. Zum Beispiel durfte er eine Weile abends nicht mit auf die Couch und hat nachts wieder in seiner Box geschlafen, statt im Bett. Das hat uns allen extrem gut getan! Wir “Weiber” hatten unsere Ruhe und er einen kleinen Denkzettel und jetzt, wo er diese Dinge guten Gewissens wieder darf, sind sie umso wertvoller.
Auch auf unseren Spaziergängen, die ja nun mal trotzdem gemacht werden müssen, gab es ganz klare Strukturen. Die ersten Tage hat das unter anderem bedeutet, dass Silas wieder vermehrt an der kurzen Leine war, einfach weil sein Erregungslevel bei all den Eindrücken unglaublich schnell in die Höhe geschossen ist. Dazu mache ich euch aber mal einen separaten Beitrag, denn das geregelt zu bekommen ist meiner Meinung nach die absolut wichtigste Sache in diesem Alter.
Sowohl an der kurzen als auch an der langen Leine gilt in dieser Zeit absolut indiskutabel die Grenze nach vorne, denn sie ist eine automatische Drosselung und vor allem Informationsquelle, ob mich der Goldjunge noch auf dem Schirm hat oder gerade im Tunnel verschwindet. Yay, Jagdtrieb! Auch diese Grenze kennt Silas zum Glück schon sehr gut und ich musste ihn nur gelegentlich daran erinnern, statt sie überhaupt erst zu etablieren.
Ganz, ganz wichtig in dieser Phase ist die “verbindliche Ansprechbarkeit”. Das bedeutet für mich, dass mein Hund zu jeder Zeit sicher ansprechbar für mich ist und zwar erst Recht dann, wenn Ablenkungen im Spiel sind - egal ob Wild (-gerüche), andere Hunde oder Menschen. Wenn ich meinen Hund also mit Namen anspreche oder einen Abbruch setze und ihn körpersprachlich einschränke, erwarte ich, dass er alle anderen Gedanken hintenan stellt und sich auf mich konzentriert, mir ggf. Raum gibt und sein Energielevel senkt. Manchmal klappt das nicht auf Anhieb, also muss ich als Mensch dranbleiben, bis ich Erfolg habe. Das setzt natürlich voraus, dass ich weiß, was ich eigentlich erreichen möchte, also z.B. wie der Hund körpersprachlich aussehen soll und wie nicht.
Wenn ihr dabei Unterstützung braucht, meldet euch gerne bei mir, vereinbart einen Termin oder werft mal einen Blick in meine Videobibliothek.